#Ad oder etwa nicht?!
Unternehmen werden immer besser darin, Inhalte auf Social Media geschickt und unterhaltsam zu verpacken – oft mittels Influencern. Manchmal sind diese als Werbung gekennzeichnet, manchmal nicht. Nutzer*innen sehen das nicht immer sofort. Einigen fällt kommerzielle Werbung trotz Kennzeichnung gar nicht auf, wie eine aktuelle Studie belegt. Wir zeigen dir, worauf du für eine bessere Einordnung achten kannst, und klären über die gesetzlichen Vorgaben auf.
Werbung für den Beauty-Doc machen? Das ist Influencer*innen in Frankreich künftig nicht mehr erlaubt. Unser Nachbarland greift durch und hat Anfang Juni ein neues Gesetz verabschiedet, das es den Social-Media-Stars verbietet, etwa Sportwetten oder chirurgische Behandlungen anzupreisen. Zumindest, wenn sie von den Anbietern dafür bezahlt werden oder andere Leistungen von ihnen erhalten, sprich: Wenn sie Werbung machen, statt aus freien Stücken und ohne jede Gegenleistung über persönliche Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen zu berichten.
Immer mehr Länder entscheiden sich für eine härtere Regulierung von Werbung in sozialen Netzwerken. Auch in Deutschland wurden in den vergangenen Jahren die Gesetze verschärft. Das Ziel: Mediennutzer*innen sollen möglichst auf den ersten Blick erkennen können, ob es sich bei einem Posting um kommerzielle Werbung handelt. Denn auch wenn die so genannten Influencer*innen vor einigen Jahren noch verspottet wurden: Heute gehört Influencer-Marketing bei vielen Unternehmen zu den beliebtesten Werbeformen, um vor allem eine junge Zielgruppe zu erreichen, die kaum noch Fernsehen schaut, Radio hört und Zeitung liest.
Auch wenn Influencer*innen mittlerweile zum Werbestandard gehören, so leicht fällt es Nutzer*innen von Instagram, TikTok und Co nicht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Das zeigt der „Transparenz-Check”, eine bevölkerungsrepräsentative Studie der Landesmedienanstalten, deren Ergebnisse schrittweise seit Februar 2023 veröffentlicht werden. Den Teilnehmer*innen wurden in einer Online-Befragung Beispiele von Postings gezeigt, die sie einordnen sollen: Handelt es sich um Werbung, Meinung oder eine unabhängige Information? Zwar konnten knapp 70 Prozent der Befragten verschiedene Instagram-Posts, die zum Beispiel für einen Künstler, eine Eisdiele und Sportnahrung trommelten, richtigerweise als Werbung identifizieren. Es bleibt aber ein knappes Drittel, das sogar trotz Kennzeichnung nicht erkannte, dass der Beitrag einen kommerziellen Zweck erfüllen sollte. Ob die Posts deutlich gekennzeichnet waren („Werbung“), mit unklareren Begriffen versehen wurden („unsere Sommer-Anzeige für euch“) oder lediglich die Vorzüge des Produkts ohne jede Werbe-Kennzeichnung aufzählten, machte für die Trefferquote kaum einen Unterschied.
Dennoch hält Eva Spittka, die bei den Medienanstalten für die Durchführung der Studie mitverantwortlich war, die Kennzeichnung für wichtig. „Wir wollten mehr darüber erfahren, wie Werbung wahrgenommen wird und ob die medienrechtlichen Vorgaben der Kennzeichnung helfen, Werbung schneller und zuverlässiger zu erkennen. Deshalb haben wir die Menschen auch gefragt, aus welchem Grund sie den Post als Anzeige erkannt haben“, erklärt sie. „Und bei einer klaren Kennzeichnung hat gut die Hälfte der Befragten auf diese verwiesen.“ Bei nicht gekennzeichneten Anzeigen mussten sich die Social-Media-Nutzer*innen indessen auf ihre eigene Medienkompetenz beim Anblick von Bild und Text verlassen. Und die ist längst nicht bei allen gleich gut ausgeprägt. Daher ist Transparenz immens wichtig, um möglichst vielen Nutzer*innen – unabhängig von ihrer Erfahrung – deutlich zu machen, um welche Art Post es sich handelt.
Was sagt das deutsche Recht?
Die gute Nachricht: In Deutschland besteht eine Pflicht, Werbung in sozialen Netzwerken zu kennzeichnen. Grundlage sind die Werberegeln des Medienstaatsvertrags (MStV) und des Telemediengesetzes (TMG). Um Konsument*innen der Kanäle vor Irreführung zu schützen, müssen werbliche Inhalte mit eindeutigen Begriffen wie „Anzeige“, „Werbung“ oder „bezahlte Werbepartnerschaft“ ausgewiesen werden.
Hinzu kommt der Paragraf 5a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG): Unlauter handelt, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt. „Dabei muss nicht zwangsläufig Geld fließen – Gegenleistungen zählen genauso“, betont der Berliner Medienrechtsanwalt Kai Jüdemann. Das heißt: Wenn ein Influencer etwa ein Fahrrad bewirbt, das ihm kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, oder in höchsten Tönen eine Reise beschreibt, zu der er vom Veranstalter eingeladen wurde, ist das genauso Werbung, als würde er Geld bekommen. Schwammige Begriffe wie „#ad“ oder „sponsored by“ sollten vermieden werden.
Klingt alles klar und eindeutig? Leider nicht ganz. Denn von außen ist oft nicht so leicht zu durchschauen, ob hinter dem Lob eines Produkts oder einer Dienstleistung ein kommerzielles Interesse steht. Ein Beispiel: Im Jahr 2021 war eine Klage des Verbands Sozialer Wettbewerb gegen die Influencerin Cathy Hummels vom Bundesgerichtshof abgeschmettert worden. Der Verband hatte Hummels Schleichwerbung vorgeworfen, da sie in einem Beitrag ein Stofftier gezeigt und über mehrere Klicks den Hersteller verlinkt hatte. Warum musste sie das nicht kennzeichnen? Die einfache Antwort: Das Gericht konnte nicht feststellen, dass die Influencerin eine Gegenleistung des Unternehmens erhalten hatte.
Das ist eine Frage, die wir uns alle häufig stellen: Ist die Person, die in höchsten Tönen von einer Marke schwärmt, einfach Fan und will ihre Begeisterung teilen – oder steht eine geschäftliche Motivation dahinter? Wenn sich etwa Satiriker Jan Böhmermann und Musiker Olli Schulz in ihrem gemeinsamen Podcast über ihre Lieblings-Snackmarken unterhalten, sagen sie oft explizit dazu: Das hier ist keine Werbung, wir bekommen nichts dafür – und bitte schickt uns jetzt keine Produkte, liebe Hersteller! Wird so etwas aber im Argen gelassen, stellt es Konsument*innen gelegentlich vor Rätsel.
„Insgesamt herrscht durch die Gesetzgebung heute mehr Transparenz als noch vor einigen Jahren“, findet Rechtsanwalt Jüdemann. Auch seien Unternehmen und Influencer*innen heute schon stärker für das Thema Kennzeichnung sensibilisiert. „In der Theorie herrscht inzwischen Klarheit: Alles, was mit einer Gegenleistung in Verbindung steht, ist Werbung – und muss als solche mit entsprechenden Begriffen gekennzeichnet werden“, erklärt er. Das gilt zum Beispiel auch, wenn sogenannte „Corporate Influencer“ auf Plattformen wie LinkedIn oder Instagram für ihre Arbeitgeber werben: „Sobald diese Beschäftigten im Gegenzug einen Bonus bekommen oder andere Leistungen wie zum Beispiel extra Urlaubstage, müssen sie ihre Posts als Werbung kennzeichnen.”
Doch in der Praxis passiert das leider nicht immer. Für manches Unternehmen seien TikTok und Co nach wie vor Neuland, weiß der Anwalt. „Da werden dann oft junge Mitarbeiter beauftragt, ein lustiges Video zu basteln, um dem Unternehmen Aufmerksamkeit zu bescheren – und die rechtlichen Bestimmungen werden vernachlässigt.“ So reicht es etwa nicht, am Ende den Marken-Hashtag einzublenden: Schon zu Beginn der Videos müssen die Begriffe Werbung oder Anzeige deutlich erkennbar und zu verstehen sein. Von Anglizismen und Wortneuschöpfungen ist daher abzuraten.
Manche Influencer*innen und Unternehmen werden wahrscheinlich erst dann korrekt arbeiten, wenn sie bereits einmal wegen unzureichender Kennzeichnung belangt worden sind. Doch den Landesmedienanstalten, die für die Überwachung von Influencer-Marketing zuständig sind, rutscht vieles natürlich durch: Die Masse der Posts ist zu groß, um alle auf Korrektheit zu überprüfen. Und oft sind Werbestories nur für 24 Stunden abrufbar.
Wie kann ich Anzeigen enttarnen?
Wir Nutzer*innen können uns also nicht immer darauf verlassen, dass Anzeigen als solche klar zu erkennen sind. Was hilft außer dem eigenen Bauchgefühl? Martin Ritter, Bereichsleiter Bürgermedien und Medienbildung bei der Thüringer Landesmedienanstalt, hat sechs Tipps auf Lager, wie man Anzeigen enttarnt:
- Steht ein Produkt im Fokus? Es könnte Werbung sein.
- Checke Bildbeschreibungen und Hashtags auf #werbung, #ad und Ähnliches.
- Rabattcodes und werbliche Links sind typische Werbeindikatoren.
- Der Dank an eine Marke weist oft auf bezahlte Posts oder gratis zur Verfügung gestellte Produkte hin.
- Beurteile, wer den Post erstellt, dessen Inhalt und welches Gefühl er bei dir hervorruft.
- Untersuche die Meinungen anderer zu dem Produkt für ein ausgewogenes Bild.
Zudem kann es helfen, eigene Nachforschungen anzustellen, wenn man sich unsicher ist, ob Inhalte des Lieblings-YouTubers oder die favorisierte Influencerin bei Instagram in die Kategorie Werbung fallen. Zumindest langfristige Kooperationen mit Internet-Stars geben Marken teils öffentlich bekannt, was sich über eine einfache Google-Suche feststellen lässt. Doch nicht immer wird offen mit solch einer Zusammenarbeit umgegangen.
Wer auf einen falsch oder gar nicht gekennzeichneten Werbepost stößt, kann das bei den Landesmedienanstalten melden. Für die einzelnen Bundesländer gibt es Websites, auf denen Beschwerdeformulare dafür zur Verfügung stehen (hier zum Beispiel für Nordrhein-Westfalen). So kann man helfen, dass diese Fälle aufgedeckt werden und verhindern, dass andere – vielleicht weniger medienkompetente – Social-Media-Nutzer*innen darauf hereinfallen.
Bei den meisten von uns klingeln ohnehin Alarmglocken, wenn allzu unkritisch und in schillerndsten Farben über ein Produkt, eine Reise oder ein Geschäft berichtet wird. Wenn es sich bei den Absender*innen aber um uns vertraute Gesichter handelt, dann werfen wir zuweilen unsere Bedenken über Bord. Laut der Studie „Trust in Advertising“ des Marktforschers Nielsen halten zwar nur durchschnittlich 37 Prozent der Befragten Werbeaussagen von Influencern für vertrauenswürdig. Doch innerhalb der Generation Z (15 bis 20 Jahre) und der Millennials (21 bis 34 Jahre) vertraut mit 52 Prozent mehr als die Hälfte der Befragten Influencer*innen ganz oder zumindest teilweise. Für Jüngere entsteht mitunter ein deutlich höherer Handlungsdruck, wenn ein geschätzter Social-Media-Star zum Konsum bestimmter Produkte aufruft.
Gleichzeitig sind diese Generationen oft besser darin, Werbung in sozialen Netzwerken zu erkennen. Auch das zeigt der Transparenz-Check der Medienanstalten: Während unter den über 70-jährigen Befragten 62 Prozent in dem nicht gekennzeichneten Instagram-Post eine Anzeige erkannten, waren es bei den 16- bis 29-Jährigen stolze 79 Prozent. Was wenig überrascht, ist eine andere Korrelation: Je höher der formale Bildungsgrad, desto besser konnten die Studienteilnehmer*innen Werbung identifizieren.
Was sind Advertorials?
Doch auch jenseits der sozialen Netzwerke gibt es seit langer Zeit Grauzonen bei Werbeformen. Etwa in Gestalt so genannter „Advertorials“ oder „Brand Stories“. Hier bezahlen Unternehmen oder Organisationen Medien dafür, dass sie ihre Werbung nicht als klassische Online- oder Print-Anzeige veröffentlichen, sondern als eine Art Artikel, dessen Layout sich von dem der journalistischen Inhalte kaum unterscheiden lässt. Im Transparenz-Check fielen diese Werbeformen klar durch: Ein als „Brand Story“ gekennzeichnetes Advertorial bei Welt Online über ein Stahlwerk des Produzenten Salzgitter wurde nur von 14 Prozent der Befragten als Werbung eingeordnet. „Das gelingt den allerwenigsten. Hier sieht man, dass die fehlende Kennzeichnung problematisch ist. Die Leute können mit Begriffen wie ‚Advertorial‘ nichts anfangen“, sagt Eva Spittka von den Landesmedienanstalten. Knapp die Hälfte hielt die getarnte Anzeige wegen des als vertrauenswürdig eingeschätzten Absenders für eine journalistische, also unabhängige Information.
Aber sind diese Begriffe nicht ohnehin unzulässig? Nachfrage bei Medienanwalt Jüdemann. „Auch hier muss es eine klare Kennzeichnung geben.“ Eigentlich. Ein Blick auf die Startseite von Welt Online verrät: Inzwischen sind derlei Beiträge explizit als Anzeige gekennzeichnet. Allerdings steht der Begriff weder in der Dachzeile noch im Anreißertext der Werbeartikel. Stattdessen wurde er auf die zugehörigen Fotos draufgesetzt und ist leicht zu übersehen. Es führt also – trotz aller Kennzeichnungspflichten – auch weiterhin kein Weg daran vorbei, aufmerksam und kritisch zu bleiben und die eigene Medienkompetenz zu stärken.
Über die Autorin
Anne Hünninghaus ist Teamleiterin Wirtschaft bei der Wirtschaftsredaktion wortwert in Köln. Zuvor hat sie für verschiedene Fachmedien mit den Themen Finanzen und Versicherungen sowie PR und Public Affairs gearbeitet und ein Magazin für Personalmanagement geleitet.
Schon gewusst?
In Deutschland muss Werbung in sozialen Netzwerken gekennzeichnet werden, um Nutzer*innen vor Irreführung zu schützen. Dafür werden werbliche Inhalte mit eindeutigen Begriffen wie „Anzeige“, „Werbung“ oder „bezahlte Werbepartnerschaft“ ausgewiesen. Grundlage hierfür sind der Medienstaatsvertrag (MStV) und das Telemediengesetz (TMG).
#Ad oder etwa nicht?!
Unternehmen werden immer besser darin, Inhalte auf Social Media geschickt und unterhaltsam zu verpacken – oft mittels Influencern. Manchmal sind diese als Werbung gekennzeichnet, manchmal nicht. Nutzer*innen sehen das nicht immer sofort. Einigen fällt kommerzielle Werbung trotz Kennzeichnung gar nicht auf, wie eine aktuelle Studie belegt. Wir zeigen dir, worauf du für eine bessere Einordnung achten kannst, und klären über die gesetzlichen Vorgaben auf.
Werbung für den Beauty-Doc machen? Das ist Influencer*innen in Frankreich künftig nicht mehr erlaubt. Unser Nachbarland greift durch und hat Anfang Juni ein neues Gesetz verabschiedet, das es den Social-Media-Stars verbietet, etwa Sportwetten oder chirurgische Behandlungen anzupreisen. Zumindest, wenn sie von den Anbietern dafür bezahlt werden oder andere Leistungen von ihnen erhalten, sprich: Wenn sie Werbung machen, statt aus freien Stücken und ohne jede Gegenleistung über persönliche Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen zu berichten.
Immer mehr Länder entscheiden sich für eine härtere Regulierung von Werbung in sozialen Netzwerken. Auch in Deutschland wurden in den vergangenen Jahren die Gesetze verschärft. Das Ziel: Mediennutzer*innen sollen möglichst auf den ersten Blick erkennen können, ob es sich bei einem Posting um kommerzielle Werbung handelt. Denn auch wenn die so genannten Influencer*innen vor einigen Jahren noch verspottet wurden: Heute gehört Influencer-Marketing bei vielen Unternehmen zu den beliebtesten Werbeformen, um vor allem eine junge Zielgruppe zu erreichen, die kaum noch Fernsehen schaut, Radio hört und Zeitung liest.
Auch wenn Influencer*innen mittlerweile zum Werbestandard gehören, so leicht fällt es Nutzer*innen von Instagram, TikTok und Co nicht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Das zeigt der „Transparenz-Check”, eine bevölkerungsrepräsentative Studie der Landesmedienanstalten, deren Ergebnisse schrittweise seit Februar 2023 veröffentlicht werden. Den Teilnehmer*innen wurden in einer Online-Befragung Beispiele von Postings gezeigt, die sie einordnen sollen: Handelt es sich um Werbung, Meinung oder eine unabhängige Information? Zwar konnten knapp 70 Prozent der Befragten verschiedene Instagram-Posts, die zum Beispiel für einen Künstler, eine Eisdiele und Sportnahrung trommelten, richtigerweise als Werbung identifizieren. Es bleibt aber ein knappes Drittel, das sogar trotz Kennzeichnung nicht erkannte, dass der Beitrag einen kommerziellen Zweck erfüllen sollte. Ob die Posts deutlich gekennzeichnet waren („Werbung“), mit unklareren Begriffen versehen wurden („unsere Sommer-Anzeige für euch“) oder lediglich die Vorzüge des Produkts ohne jede Werbe-Kennzeichnung aufzählten, machte für die Trefferquote kaum einen Unterschied.
Dennoch hält Eva Spittka, die bei den Medienanstalten für die Durchführung der Studie mitverantwortlich war, die Kennzeichnung für wichtig. „Wir wollten mehr darüber erfahren, wie Werbung wahrgenommen wird und ob die medienrechtlichen Vorgaben der Kennzeichnung helfen, Werbung schneller und zuverlässiger zu erkennen. Deshalb haben wir die Menschen auch gefragt, aus welchem Grund sie den Post als Anzeige erkannt haben“, erklärt sie. „Und bei einer klaren Kennzeichnung hat gut die Hälfte der Befragten auf diese verwiesen.“ Bei nicht gekennzeichneten Anzeigen mussten sich die Social-Media-Nutzer*innen indessen auf ihre eigene Medienkompetenz beim Anblick von Bild und Text verlassen. Und die ist längst nicht bei allen gleich gut ausgeprägt. Daher ist Transparenz immens wichtig, um möglichst vielen Nutzer*innen – unabhängig von ihrer Erfahrung – deutlich zu machen, um welche Art Post es sich handelt.
Was sagt das deutsche Recht?
Die gute Nachricht: In Deutschland besteht eine Pflicht, Werbung in sozialen Netzwerken zu kennzeichnen. Grundlage sind die Werberegeln des Medienstaatsvertrags (MStV) und des Telemediengesetzes (TMG). Um Konsument*innen der Kanäle vor Irreführung zu schützen, müssen werbliche Inhalte mit eindeutigen Begriffen wie „Anzeige“, „Werbung“ oder „bezahlte Werbepartnerschaft“ ausgewiesen werden.
Hinzu kommt der Paragraf 5a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG): Unlauter handelt, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt. „Dabei muss nicht zwangsläufig Geld fließen – Gegenleistungen zählen genauso“, betont der Berliner Medienrechtsanwalt Kai Jüdemann. Das heißt: Wenn ein Influencer etwa ein Fahrrad bewirbt, das ihm kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, oder in höchsten Tönen eine Reise beschreibt, zu der er vom Veranstalter eingeladen wurde, ist das genauso Werbung, als würde er Geld bekommen. Schwammige Begriffe wie „#ad“ oder „sponsored by“ sollten vermieden werden.
Klingt alles klar und eindeutig? Leider nicht ganz. Denn von außen ist oft nicht so leicht zu durchschauen, ob hinter dem Lob eines Produkts oder einer Dienstleistung ein kommerzielles Interesse steht. Ein Beispiel: Im Jahr 2021 war eine Klage des Verbands Sozialer Wettbewerb gegen die Influencerin Cathy Hummels vom Bundesgerichtshof abgeschmettert worden. Der Verband hatte Hummels Schleichwerbung vorgeworfen, da sie in einem Beitrag ein Stofftier gezeigt und über mehrere Klicks den Hersteller verlinkt hatte. Warum musste sie das nicht kennzeichnen? Die einfache Antwort: Das Gericht konnte nicht feststellen, dass die Influencerin eine Gegenleistung des Unternehmens erhalten hatte.
Das ist eine Frage, die wir uns alle häufig stellen: Ist die Person, die in höchsten Tönen von einer Marke schwärmt, einfach Fan und will ihre Begeisterung teilen – oder steht eine geschäftliche Motivation dahinter? Wenn sich etwa Satiriker Jan Böhmermann und Musiker Olli Schulz in ihrem gemeinsamen Podcast über ihre Lieblings-Snackmarken unterhalten, sagen sie oft explizit dazu: Das hier ist keine Werbung, wir bekommen nichts dafür – und bitte schickt uns jetzt keine Produkte, liebe Hersteller! Wird so etwas aber im Argen gelassen, stellt es Konsument*innen gelegentlich vor Rätsel.
„Insgesamt herrscht durch die Gesetzgebung heute mehr Transparenz als noch vor einigen Jahren“, findet Rechtsanwalt Jüdemann. Auch seien Unternehmen und Influencer*innen heute schon stärker für das Thema Kennzeichnung sensibilisiert. „In der Theorie herrscht inzwischen Klarheit: Alles, was mit einer Gegenleistung in Verbindung steht, ist Werbung – und muss als solche mit entsprechenden Begriffen gekennzeichnet werden“, erklärt er. Das gilt zum Beispiel auch, wenn sogenannte „Corporate Influencer“ auf Plattformen wie LinkedIn oder Instagram für ihre Arbeitgeber werben: „Sobald diese Beschäftigten im Gegenzug einen Bonus bekommen oder andere Leistungen wie zum Beispiel extra Urlaubstage, müssen sie ihre Posts als Werbung kennzeichnen.”
Doch in der Praxis passiert das leider nicht immer. Für manches Unternehmen seien TikTok und Co nach wie vor Neuland, weiß der Anwalt. „Da werden dann oft junge Mitarbeiter beauftragt, ein lustiges Video zu basteln, um dem Unternehmen Aufmerksamkeit zu bescheren – und die rechtlichen Bestimmungen werden vernachlässigt.“ So reicht es etwa nicht, am Ende den Marken-Hashtag einzublenden: Schon zu Beginn der Videos müssen die Begriffe Werbung oder Anzeige deutlich erkennbar und zu verstehen sein. Von Anglizismen und Wortneuschöpfungen ist daher abzuraten.
Manche Influencer*innen und Unternehmen werden wahrscheinlich erst dann korrekt arbeiten, wenn sie bereits einmal wegen unzureichender Kennzeichnung belangt worden sind. Doch den Landesmedienanstalten, die für die Überwachung von Influencer-Marketing zuständig sind, rutscht vieles natürlich durch: Die Masse der Posts ist zu groß, um alle auf Korrektheit zu überprüfen. Und oft sind Werbestories nur für 24 Stunden abrufbar.
Wie kann ich Anzeigen enttarnen?
Wir Nutzer*innen können uns also nicht immer darauf verlassen, dass Anzeigen als solche klar zu erkennen sind. Was hilft außer dem eigenen Bauchgefühl? Martin Ritter, Bereichsleiter Bürgermedien und Medienbildung bei der Thüringer Landesmedienanstalt, hat sechs Tipps auf Lager, wie man Anzeigen enttarnt:
- Steht ein Produkt im Fokus? Es könnte Werbung sein.
- Checke Bildbeschreibungen und Hashtags auf #werbung, #ad und Ähnliches.
- Rabattcodes und werbliche Links sind typische Werbeindikatoren.
- Der Dank an eine Marke weist oft auf bezahlte Posts oder gratis zur Verfügung gestellte Produkte hin.
- Beurteile, wer den Post erstellt, dessen Inhalt und welches Gefühl er bei dir hervorruft.
- Untersuche die Meinungen anderer zu dem Produkt für ein ausgewogenes Bild.
Zudem kann es helfen, eigene Nachforschungen anzustellen, wenn man sich unsicher ist, ob Inhalte des Lieblings-YouTubers oder die favorisierte Influencerin bei Instagram in die Kategorie Werbung fallen. Zumindest langfristige Kooperationen mit Internet-Stars geben Marken teils öffentlich bekannt, was sich über eine einfache Google-Suche feststellen lässt. Doch nicht immer wird offen mit solch einer Zusammenarbeit umgegangen.
Wer auf einen falsch oder gar nicht gekennzeichneten Werbepost stößt, kann das bei den Landesmedienanstalten melden. Für die einzelnen Bundesländer gibt es Websites, auf denen Beschwerdeformulare dafür zur Verfügung stehen (hier zum Beispiel für Nordrhein-Westfalen). So kann man helfen, dass diese Fälle aufgedeckt werden und verhindern, dass andere – vielleicht weniger medienkompetente – Social-Media-Nutzer*innen darauf hereinfallen.
Bei den meisten von uns klingeln ohnehin Alarmglocken, wenn allzu unkritisch und in schillerndsten Farben über ein Produkt, eine Reise oder ein Geschäft berichtet wird. Wenn es sich bei den Absender*innen aber um uns vertraute Gesichter handelt, dann werfen wir zuweilen unsere Bedenken über Bord. Laut der Studie „Trust in Advertising“ des Marktforschers Nielsen halten zwar nur durchschnittlich 37 Prozent der Befragten Werbeaussagen von Influencern für vertrauenswürdig. Doch innerhalb der Generation Z (15 bis 20 Jahre) und der Millennials (21 bis 34 Jahre) vertraut mit 52 Prozent mehr als die Hälfte der Befragten Influencer*innen ganz oder zumindest teilweise. Für Jüngere entsteht mitunter ein deutlich höherer Handlungsdruck, wenn ein geschätzter Social-Media-Star zum Konsum bestimmter Produkte aufruft.
Gleichzeitig sind diese Generationen oft besser darin, Werbung in sozialen Netzwerken zu erkennen. Auch das zeigt der Transparenz-Check der Medienanstalten: Während unter den über 70-jährigen Befragten 62 Prozent in dem nicht gekennzeichneten Instagram-Post eine Anzeige erkannten, waren es bei den 16- bis 29-Jährigen stolze 79 Prozent. Was wenig überrascht, ist eine andere Korrelation: Je höher der formale Bildungsgrad, desto besser konnten die Studienteilnehmer*innen Werbung identifizieren.
Was sind Advertorials?
Doch auch jenseits der sozialen Netzwerke gibt es seit langer Zeit Grauzonen bei Werbeformen. Etwa in Gestalt so genannter „Advertorials“ oder „Brand Stories“. Hier bezahlen Unternehmen oder Organisationen Medien dafür, dass sie ihre Werbung nicht als klassische Online- oder Print-Anzeige veröffentlichen, sondern als eine Art Artikel, dessen Layout sich von dem der journalistischen Inhalte kaum unterscheiden lässt. Im Transparenz-Check fielen diese Werbeformen klar durch: Ein als „Brand Story“ gekennzeichnetes Advertorial bei Welt Online über ein Stahlwerk des Produzenten Salzgitter wurde nur von 14 Prozent der Befragten als Werbung eingeordnet. „Das gelingt den allerwenigsten. Hier sieht man, dass die fehlende Kennzeichnung problematisch ist. Die Leute können mit Begriffen wie ‚Advertorial‘ nichts anfangen“, sagt Eva Spittka von den Landesmedienanstalten. Knapp die Hälfte hielt die getarnte Anzeige wegen des als vertrauenswürdig eingeschätzten Absenders für eine journalistische, also unabhängige Information.
Aber sind diese Begriffe nicht ohnehin unzulässig? Nachfrage bei Medienanwalt Jüdemann. „Auch hier muss es eine klare Kennzeichnung geben.“ Eigentlich. Ein Blick auf die Startseite von Welt Online verrät: Inzwischen sind derlei Beiträge explizit als Anzeige gekennzeichnet. Allerdings steht der Begriff weder in der Dachzeile noch im Anreißertext der Werbeartikel. Stattdessen wurde er auf die zugehörigen Fotos draufgesetzt und ist leicht zu übersehen. Es führt also – trotz aller Kennzeichnungspflichten – auch weiterhin kein Weg daran vorbei, aufmerksam und kritisch zu bleiben und die eigene Medienkompetenz zu stärken.
Über die Autorin
Anne Hünninghaus ist Teamleiterin Wirtschaft bei der Wirtschaftsredaktion wortwert in Köln. Zuvor hat sie für verschiedene Fachmedien mit den Themen Finanzen und Versicherungen sowie PR und Public Affairs gearbeitet und ein Magazin für Personalmanagement geleitet.
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In Deutschland muss Werbung in sozialen Netzwerken gekennzeichnet werden, um Nutzer*innen vor Irreführung zu schützen. Dafür werden werbliche Inhalte mit eindeutigen Begriffen wie „Anzeige“, „Werbung“ oder „bezahlte Werbepartnerschaft“ ausgewiesen. Grundlage hierfür sind der Medienstaatsvertrag (MStV) und das Telemediengesetz (TMG).