„Das habe ich bei WhatsApp gelesen“
Vertrauenswürdige Quellen erkennen
Messenger-Dienste wie Whatsapp und Telegram verleiten dazu, Informationen mit lediglich einem Tipp auf einen Button zu verbreiten. Das ist effektiv, aber auch gefährlich. Gerade während der Corona-Pandemie kamen so massenhaft Gerüchte und unseriöse Quellen in Umlauf. Hier findest du Tipps, wie du seriöse Quellen erkennst und in welcher Community du das spielerisch üben kannst.
Krisenzeiten sind ideale Beschleuniger bei der Verbreitung falscher Informationen und von Gerüchten, weil dann das Überleben und die persönliche Sicherheit im Vordergrund stehen. In der Corona-Pandemie zum Beispiel kamen Menschen mit Unmengen an irreführenden Gesundheitsinformationen über Social-Media-Kanäle und Messenger-Diensten in Berührung. Das hatte weitreichende Folgen, etwa die Zerstörung von 5G-Mobilfunkmasten in England und tödliche Giftunfälle mit Desinfektionsmitteln in den USA, beides Fälle, die aus Verschwörungstheorien entstanden waren – und wo geisterten diese sonst herum als im Netz und in Chatgruppen? Die Weltgesundheitsorganisation sprach von einer sogenannten Infodemie.
Whatsapp und Telegram sind besonders beliebte Instant-Messenger, mit denen schnell und unkompliziert zumeist mit Nahestehenden kommuniziert werden kann. Manchmal fehlen Nutzer*innen Vorkenntnisse, Zeit oder Ressourcen, um im Netz zu recherchieren. Gleichzeitig gibt es die Möglichkeit, Informationen einfach weiterzuleiten. Wer garantiert aber, dass die „Quelle“ Freund*in oder die Nachbarschafts-Chatgruppe nicht auch an uns KI-Bilder oder Misinformation weiterleiten, die wir nicht als solche erkennen? Aus Studien wissen wir: Die Gefahr, richtige von versehentlich oder gar absichtlich falschen Informationen nicht unterscheiden zu können, besteht prinzipiell für jede Altersgruppe, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt.
Was sind Quellen?
„Quelle“ bezeichnet im Zusammenhang mit Kommunikation den Ursprung einer Information. Eine Quelle kann beispielsweise eine Person, eine Einrichtung, ein Ort, ein Text oder ein Video sein. Sie muss nicht zwangsläufig Ersteller*in einer Information sein. Eine Quelle wird auch lediglich als Übermittler*in der Information verstanden. Bei der Weitergabe kann es dann passieren, dass korrekte Informationen abgeändert werden, etwa indem Sachverhalte weggelassen oder ersetzt werden. Im wissenschaftlichen Bereich meint „Quelle“ eine wissenschaftliche Publikation, in der eine Erkenntnis oder ein Ergebnis veröffentlicht wurde. Im Journalismus bedeutet „Quelle“ in der Regel „Ursprung einer Nachricht”.
Darum fällt die Einordnung von Gesundheitsinformationen besonders schwer
Was bewegt Menschen dazu, Gesundheitsinformationen ungeprüft weiterzuleiten? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit Forscher*innen des Leibniz-Informationszentrums Wirtschaft in Kiel, der Humboldt-Universität zu Berlin und des Vereins Grenzenlos Digital. Für das Projekt Desive² sammeln sie unter anderem Tagebucheinträge und Screenshots von Teilnehmenden und werten diese aus. Die Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass Informationen insbesondere durch Doktortitel, komplizierte Grafiken und Verweise auf Studien einen wissenschaftlichen Touch bekommen und daher glaubhafter erscheinen.
„Wir konnten in einer ersten Auswertung der Interviewdaten unserer Studie sehen, dass Proband*innen berichten, bei der Fülle an Gesundheitsinformationen Schwierigkeiten zu haben, richtige Informationen zu erkennen, da sich Gesundheitsinformationen oft widersprechen“, sagt Leyla Dewitz vom Lehrstuhl Information Behavior an der Humboldt-Universität zu Berlin. Falsche Informationen, die im Umlauf sind, führten dazu, dass Menschen resignieren und eher vermeiden, Informationen zur Gesundheit mehrfach zu prüfen. Es sei aber sehr wohl zu erkennen, dass sich die Teilnehmenden bemühen, den Wahrheitsgehalt einer Quelle zu überprüfen, so Dewitz.
Weiterleitung birgt Gefahrenpotenzial
Wer Informationen von einer Quelle ungeprüft weiterleitet, muss damit rechnen, eine Art Schneeballsystem zu starten oder voranzutreiben. Das bedeutet: Nicht nur dem eigenen Freundes- und Familienkreis könnte unbeabsichtigt geschadet werden, sondern jedem, dem die weitergeleitete (Fehl-)Information zuteilwird. Der Messenger-Dienst Telegram hat auf dieses Gefahrenpotenzial nur eingeschränkt reagiert, indem einige reichweitenstarke Kanäle wie der des Verschwörungstheoretikers Attila Hildmann gelöscht wurden. WhatsApp dagegen positionierte sich entschiedener: Während der Corona-Krise führte das Meta-Produkt eine Begrenzung für das Weiterleiten von bereits oft geteilten Nachrichten ein. Eine Maßnahme, um die Geschwindigkeit der Verbreitung zu drosseln.
Auch Quellenprüfung ist geeignet, die Verbreitung von Fehl- und Falschinformationen zu hemmen. Sie erlaubt es, auf den ersten Blick eine kurze und schnelle Einschätzung darüber zu geben, ob eine Information zuverlässig ist. Und wenn sie es nicht ist, fühlen sich zumindest einige Menschen weniger versucht, sie weiterzuleiten. Bei der Beurteilung empfiehlt Informationswissenschaftlerin Maria Henkel vom Desive²-Projekt die folgenden Merkmale abzuchecken:
- Transparenz: Seriöse Quellen sind offen über ihre eigenen Quellen und Methoden. Sie geben an, wer wann auf welche Weise Informationen gesammelt und überprüft hat. Wenn etwa bei einem Blogartikel kein*e Autor*in und kein Datum angegeben wurden, ist das ein schlechtes Zeichen. Bei Websites sollte darauf geachtet werden, dass es ein Impressum gibt.
- Aktualität und Selbstkritik: Vertrauenswürdige Quellen sorgen dafür, dass ihre Informationen stimmen und möglichst aktuell sind. Wenn sie Fehler machen, geben sie diese auch zu und korrigieren sie.
- Reputation und Verifizierbarkeit: Glaubwürdige Quellen sind in der Regel etabliert. Das bedeutet, dass sie beispielsweise in öffentliche Debatten einbezogen werden und viele Abonnent*innen haben. Die angebotenen Informationen sind nachvollziehbar und überprüfbar. Nach der Quelle oder der getroffenen Aussage zu googeln, gibt uns oft sehr schnell einen Eindruck hierzu.
- Objektivität: Gibt es reißerische Überschriften und Übertreibungen? Qualitätsjournalismus zeichnet sich dadurch aus, dass ausführlich recherchiert wird und komplizierte Zusammenhänge ausgewogen, also nicht einseitig beziehungsweise nicht reißerisch dargestellt werden. Es werden verschiedene Quellen genutzt und angegeben, Fachwissen und Meinungen stammen von Expert*innen und Fachwissen. Meinungen sind auch als solche gekennzeichnet.
In der Psychologie spielt beim Überprüfen der Quelle vor allem Vertrauenszuschreibung eine wesentliche Rolle. „Menschen zu vertrauen, ist eine urtypische Art des Umgangs miteinander, und wir bringen da auch bestimmte Fähigkeiten mit, etwa Wahrnehmungen einzuordnen und Informationen zu bewerten. Man sieht gut in entwicklungspsychologischen Studien, dass Kinder bereits in frühen Phasen in der Lage sind, Vertrauensurteile zu fällen“, sagt die Psychologin Dorothe Kienhues von der Universität Münster.
Einer Quelle zu vertrauen bedeutet aber nicht blindes Vertrauen, sondern sei vergleichbar mit einem Alarm, der möglicherweise anspringt, um das Risiko von absichtlicher oder versehentlicher Fehlinformation gering zu halten. „Wir können uns nur gegenseitig vertrauen, wenn wir uns auch gegenseitig wachsam beobachten. Das stabilisiert sich“, so Kienhues.
Informiertes Vertrauen gegen fragwürdige Expert*innen
Was hilft uns nun, eine Quelle als vertrauenswürdig einzuschätzen? Kienhues schlägt ein Konzept vor, das sie als „informiertes Vertrauen“ bezeichnet und das bereits seit vielen Jahren unter Wissenschaftler*innen praktiziert wird, wenn sie forschen und sich mit anderen Expert*innen auseinandersetzen. Demnach ist es effektiver, sich über eine Person zu erkundigen als sich selbst umfangreich mit dem Thema zu beschäftigen, über das die Person informiert. Es geht um Fragen wie:
- Ist die Person wirklich daran interessiert, die Wahrheit herauszufinden oder will sie täuschen?
- Kann sich die Person überhaupt auf dem Themengebiet so gut auskennen, dass sie korrekte Informationen geben kann? Bringt sie Fachkenntnisse mit?
- Welche Intentionen verfolgt die Person? Ist sie wohlwollend oder hat sie etwa politische, kommerzielle oder wirtschaftliche Interessen im Sinn?
Ein besonders schwieriger Faktor sind laut Kienhues Vertrauensurteile über Freunde und Familie, weil man da „eine emotionale Verstrickung“ hat. Ein Beispiel: Die „Quelle“ Freund*in schickt uns einen Ratgeber-Text von einem Portal für Homöopathie. Sollten wir den Gesundheitstipps trotz unserer eigenen Vorbehalte gegen Alternativmedizin folgen, weil uns die „Quelle“ Freund*in auch in anderen Lebensbereichen bisher immer gute Tipps gegeben hat? Auch in diesem Fall lohnt es sich, genauer auf die Absichten der Person zu schauen. „Das Gute ist, dass ich meine Freunde und Familie kenne. Vielleicht weiß ich bereits, dass sie einer bestimmten Partei angehören oder Corona-Maßnahmen unterstützen. Andernfalls empfehle ich, offen zu klären, warum sie mir eine bestimmte Information weiterleiten“, so Kienhues.
Hier gibt es Hilfe für die Bewertung von Quellen
Dass man mit dem Prüfen von vertrauenswürdigen Quellen nicht alleine dasteht, zeigt der Verein codetekt aus Berlin. Über einen Web-Browser oder ein Plug-in können dort Fälle eingereicht und von der Community untersucht werden. Verfahren wird nach dem Prinzip des sogenannten Trust-Checking. Den Begriff haben sich die Gründungsmitglieder ausgedacht. Bei diesem Ansatz wird der Community ein kurzer Fragenkatalog an die Hand gegeben. Verlinkt die Quelle sich selbst? Ist der Text hetzerisch oder objektiv geschrieben? Sind die Bilder KI-generiert? Wer steht im Impressum der Website?
Zu Beginn beurteilt jeder den Fall für sich, erst dann wird gemeinsam über die Vertrauenswürdigkeit entschieden. „Quellen sind ein gutes Einfallstor für die Recherche. Aber manchmal fehlen Quellen in Artikeln, oder es wird nicht auf die Originalquelle verlinkt. Solche kleinen Dinge fügen sich mit den anderen Kriterien zu einem großen Bild zusammen und können Informationen dann entsprechend weniger vertrauenswürdig machen“, sagt die Geschäftsführerin Kristin Marosi. Neben codetekt bieten auch Faktencheck-Initiativen wie Correctiv, Mimikama oder die Faktencheck-Redaktionen von dpa und AFP Unterstützung beim Thema Quellencheck.
Fazit
Ohne Vertrauen können wir nicht miteinander in den Austausch gehen, denn wir haben wohl fast nie das vollständige Wissen über eine Sache. Wenn wir Nachrichten konsumieren, ist aber die Frage nach vertrauensvollen Informationsquellen teilweise schwer zu beantworten. Manchmal erreichen uns weitergeleitete Bilder, deren Ursprung nicht bekannt ist oder die abgeändert wurden, ohne dass wir es wissen. Hinzu kommen persönliche Einstellungen wie Gruppenzugehörigkeit oder politische Überzeugungen, durch die nicht jede*r von uns eine Information auf dieselbe Weise wahrnimmt.
Gerade die Corona-Pandemie führte vor Augen, dass es relevanter denn je geworden ist, Informationsquellen einzuordnen. Neben Gesundheitsinformationen wurden auch Falschinformationen und Gerüchte verbreitet – und das nicht immer in böser Absicht. Wenn beispielsweise Informationen missverstanden werden, kommen Fehlinformationen unabsichtlich in den Umlauf, vielleicht auch gerade weil wir der „Quelle“ Freund*in oder Arbeitskolleg*in einen Vertrauensvorschuss geben.
Grundsätzlich ist daher jede*r in der Verantwortung, Informationsquellen zu beurteilen. Unerlässlich ist das vor allem dann, wenn beabsichtigt wird, einen Text oder ein Video weiterzuleiten. Welche Interessen beziehungsweise Beweggründe bringt die Quelle mit? Werden die Informationen besonders emotional dargestellt? Wie viel Fachwissen bringt die Quelle tatsächlich mit? Letztlich ist jede*r Teil eines größeren Informationskreislaufs.
Bildquellen: Rahel Flechtner, Peter Leßmann, Katharina Gless | Bearbeitung: MvonS
Über die Autorin
Victoria Graul ist freie Journalistin und engagiert sich auf vielen Ebenen mit eigenen Workshops und Vorträgen zu den Themen Faktencheck, Desinformation und Medienkompetenz. Sie betreibt den Podcast Digga Fake – Fake News & Fact-Checking. Davor arbeitete sie als Online-Redakteurin, unter anderem für die Freie Presse und das RND RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Schon gewusst?
Gerade ältere Menschen sind empfänglicher für Fehl- und Falschinformationen in den sozialen Medien, weil es für diese Altersgruppe kaum Aufklärungsangebote zum Thema gibt. Diese Einschätzung ist das Ergebnis einer Expertenbefragung im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland. Mehr 60 Expert*innen aus dem Bereich Wissenschaft, Journalismus und Zivilgesellschaft nahmen 2021 daran teil.
„Das habe ich bei WhatsApp gelesen“
Vertrauenswürdige Quellen erkennen
Messenger-Dienste wie Whatsapp und Telegram verleiten dazu, Informationen mit lediglich einem Tipp auf einen Button zu verbreiten. Das ist effektiv, aber auch gefährlich. Gerade während der Corona-Pandemie kamen so massenhaft Gerüchte und unseriöse Quellen in Umlauf. Hier findest du Tipps, wie du seriöse Quellen erkennst und in welcher Community du das spielerisch üben kannst.
Krisenzeiten sind ideale Beschleuniger bei der Verbreitung falscher Informationen und von Gerüchten, weil dann das Überleben und die persönliche Sicherheit im Vordergrund stehen. In der Corona-Pandemie zum Beispiel kamen Menschen mit Unmengen an irreführenden Gesundheitsinformationen über Social-Media-Kanäle und Messenger-Diensten in Berührung. Das hatte weitreichende Folgen, etwa die Zerstörung von 5G-Mobilfunkmasten in England und tödliche Giftunfälle mit Desinfektionsmitteln in den USA, beides Fälle, die aus Verschwörungstheorien entstanden waren – und wo geisterten diese sonst herum als im Netz und in Chatgruppen? Die Weltgesundheitsorganisation sprach von einer sogenannten Infodemie.
Whatsapp und Telegram sind besonders beliebte Instant-Messenger, mit denen schnell und unkompliziert zumeist mit Nahestehenden kommuniziert werden kann. Manchmal fehlen Nutzer*innen Vorkenntnisse, Zeit oder Ressourcen, um im Netz zu recherchieren. Gleichzeitig gibt es die Möglichkeit, Informationen einfach weiterzuleiten. Wer garantiert aber, dass die „Quelle“ Freund*in oder die Nachbarschafts-Chatgruppe nicht auch an uns KI-Bilder oder Misinformation weiterleiten, die wir nicht als solche erkennen? Aus Studien wissen wir: Die Gefahr, richtige von versehentlich oder gar absichtlich falschen Informationen nicht unterscheiden zu können, besteht prinzipiell für jede Altersgruppe, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt.
Was sind Quellen?
„Quelle“ bezeichnet im Zusammenhang mit Kommunikation den Ursprung einer Information. Eine Quelle kann beispielsweise eine Person, eine Einrichtung, ein Ort, ein Text oder ein Video sein. Sie muss nicht zwangsläufig Ersteller*in einer Information sein. Eine Quelle wird auch lediglich als Übermittler*in der Information verstanden. Bei der Weitergabe kann es dann passieren, dass korrekte Informationen abgeändert werden, etwa indem Sachverhalte weggelassen oder ersetzt werden. Im wissenschaftlichen Bereich meint „Quelle“ eine wissenschaftliche Publikation, in der eine Erkenntnis oder ein Ergebnis veröffentlicht wurde. Im Journalismus bedeutet „Quelle“ in der Regel „Ursprung einer Nachricht”.
Darum fällt die Einordnung von Gesundheitsinformationen besonders schwer
Was bewegt Menschen dazu, Gesundheitsinformationen ungeprüft weiterzuleiten? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit Forscher*innen des Leibniz-Informationszentrums Wirtschaft in Kiel, der Humboldt-Universität zu Berlin und des Vereins Grenzenlos Digital. Für das Projekt Desive² sammeln sie unter anderem Tagebucheinträge und Screenshots von Teilnehmenden und werten diese aus. Die Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass Informationen insbesondere durch Doktortitel, komplizierte Grafiken und Verweise auf Studien einen wissenschaftlichen Touch bekommen und daher glaubhafter erscheinen.
„Wir konnten in einer ersten Auswertung der Interviewdaten unserer Studie sehen, dass Proband*innen berichten, bei der Fülle an Gesundheitsinformationen Schwierigkeiten zu haben, richtige Informationen zu erkennen, da sich Gesundheitsinformationen oft widersprechen“, sagt Leyla Dewitz vom Lehrstuhl Information Behavior an der Humboldt-Universität zu Berlin. Falsche Informationen, die im Umlauf sind, führten dazu, dass Menschen resignieren und eher vermeiden, Informationen zur Gesundheit mehrfach zu prüfen. Es sei aber sehr wohl zu erkennen, dass sich die Teilnehmenden bemühen, den Wahrheitsgehalt einer Quelle zu überprüfen, so Dewitz.
Weiterleitung birgt Gefahrenpotenzial
Wer Informationen von einer Quelle ungeprüft weiterleitet, muss damit rechnen, eine Art Schneeballsystem zu starten oder voranzutreiben. Das bedeutet: Nicht nur dem eigenen Freundes- und Familienkreis könnte unbeabsichtigt geschadet werden, sondern jedem, dem die weitergeleitete (Fehl-)Information zuteilwird. Der Messenger-Dienst Telegram hat auf dieses Gefahrenpotenzial nur eingeschränkt reagiert, indem einige reichweitenstarke Kanäle wie der des Verschwörungstheoretikers Attila Hildmann gelöscht wurden. WhatsApp dagegen positionierte sich entschiedener: Während der Corona-Krise führte das Meta-Produkt eine Begrenzung für das Weiterleiten von bereits oft geteilten Nachrichten ein. Eine Maßnahme, um die Geschwindigkeit der Verbreitung zu drosseln.
Auch Quellenprüfung ist geeignet, die Verbreitung von Fehl- und Falschinformationen zu hemmen. Sie erlaubt es, auf den ersten Blick eine kurze und schnelle Einschätzung darüber zu geben, ob eine Information zuverlässig ist. Und wenn sie es nicht ist, fühlen sich zumindest einige Menschen weniger versucht, sie weiterzuleiten. Bei der Beurteilung empfiehlt Informationswissenschaftlerin Maria Henkel vom Desive²-Projekt die folgenden Merkmale abzuchecken:
- Transparenz: Seriöse Quellen sind offen über ihre eigenen Quellen und Methoden. Sie geben an, wer wann auf welche Weise Informationen gesammelt und überprüft hat. Wenn etwa bei einem Blogartikel kein*e Autor*in und kein Datum angegeben wurden, ist das ein schlechtes Zeichen. Bei Websites sollte darauf geachtet werden, dass es ein Impressum gibt.
- Aktualität und Selbstkritik: Vertrauenswürdige Quellen sorgen dafür, dass ihre Informationen stimmen und möglichst aktuell sind. Wenn sie Fehler machen, geben sie diese auch zu und korrigieren sie.
- Reputation und Verifizierbarkeit: Glaubwürdige Quellen sind in der Regel etabliert. Das bedeutet, dass sie beispielsweise in öffentliche Debatten einbezogen werden und viele Abonnent*innen haben. Die angebotenen Informationen sind nachvollziehbar und überprüfbar. Nach der Quelle oder der getroffenen Aussage zu googeln, gibt uns oft sehr schnell einen Eindruck hierzu.
- Objektivität: Gibt es reißerische Überschriften und Übertreibungen? Qualitätsjournalismus zeichnet sich dadurch aus, dass ausführlich recherchiert wird und komplizierte Zusammenhänge ausgewogen, also nicht einseitig beziehungsweise nicht reißerisch dargestellt werden. Es werden verschiedene Quellen genutzt und angegeben, Fachwissen und Meinungen stammen von Expert*innen und Fachwissen. Meinungen sind auch als solche gekennzeichnet.
In der Psychologie spielt beim Überprüfen der Quelle vor allem Vertrauenszuschreibung eine wesentliche Rolle. „Menschen zu vertrauen, ist eine urtypische Art des Umgangs miteinander, und wir bringen da auch bestimmte Fähigkeiten mit, etwa Wahrnehmungen einzuordnen und Informationen zu bewerten. Man sieht gut in entwicklungspsychologischen Studien, dass Kinder bereits in frühen Phasen in der Lage sind, Vertrauensurteile zu fällen“, sagt die Psychologin Dorothe Kienhues von der Universität Münster.
Einer Quelle zu vertrauen bedeutet aber nicht blindes Vertrauen, sondern sei vergleichbar mit einem Alarm, der möglicherweise anspringt, um das Risiko von absichtlicher oder versehentlicher Fehlinformation gering zu halten. „Wir können uns nur gegenseitig vertrauen, wenn wir uns auch gegenseitig wachsam beobachten. Das stabilisiert sich“, so Kienhues.
Informiertes Vertrauen gegen fragwürdige Expert*innen
Was hilft uns nun, eine Quelle als vertrauenswürdig einzuschätzen? Kienhues schlägt ein Konzept vor, das sie als „informiertes Vertrauen“ bezeichnet und das bereits seit vielen Jahren unter Wissenschaftler*innen praktiziert wird, wenn sie forschen und sich mit anderen Expert*innen auseinandersetzen. Demnach ist es effektiver, sich über eine Person zu erkundigen als sich selbst umfangreich mit dem Thema zu beschäftigen, über das die Person informiert. Es geht um Fragen wie:
- Ist die Person wirklich daran interessiert, die Wahrheit herauszufinden oder will sie täuschen?
- Kann sich die Person überhaupt auf dem Themengebiet so gut auskennen, dass sie korrekte Informationen geben kann? Bringt sie Fachkenntnisse mit?
- Welche Intentionen verfolgt die Person? Ist sie wohlwollend oder hat sie etwa politische, kommerzielle oder wirtschaftliche Interessen im Sinn?
Ein besonders schwieriger Faktor sind laut Kienhues Vertrauensurteile über Freunde und Familie, weil man da „eine emotionale Verstrickung“ hat. Ein Beispiel: Die „Quelle“ Freund*in schickt uns einen Ratgeber-Text von einem Portal für Homöopathie. Sollten wir den Gesundheitstipps trotz unserer eigenen Vorbehalte gegen Alternativmedizin folgen, weil uns die „Quelle“ Freund*in auch in anderen Lebensbereichen bisher immer gute Tipps gegeben hat? Auch in diesem Fall lohnt es sich, genauer auf die Absichten der Person zu schauen. „Das Gute ist, dass ich meine Freunde und Familie kenne. Vielleicht weiß ich bereits, dass sie einer bestimmten Partei angehören oder Corona-Maßnahmen unterstützen. Andernfalls empfehle ich, offen zu klären, warum sie mir eine bestimmte Information weiterleiten“, so Kienhues.
Hier gibt es Hilfe für die Bewertung von Quellen
Dass man mit dem Prüfen von vertrauenswürdigen Quellen nicht alleine dasteht, zeigt der Verein codetekt aus Berlin. Über einen Web-Browser oder ein Plug-in können dort Fälle eingereicht und von der Community untersucht werden. Verfahren wird nach dem Prinzip des sogenannten Trust-Checking. Den Begriff haben sich die Gründungsmitglieder ausgedacht. Bei diesem Ansatz wird der Community ein kurzer Fragenkatalog an die Hand gegeben. Verlinkt die Quelle sich selbst? Ist der Text hetzerisch oder objektiv geschrieben? Sind die Bilder KI-generiert? Wer steht im Impressum der Website?
Zu Beginn beurteilt jeder den Fall für sich, erst dann wird gemeinsam über die Vertrauenswürdigkeit entschieden. „Quellen sind ein gutes Einfallstor für die Recherche. Aber manchmal fehlen Quellen in Artikeln, oder es wird nicht auf die Originalquelle verlinkt. Solche kleinen Dinge fügen sich mit den anderen Kriterien zu einem großen Bild zusammen und können Informationen dann entsprechend weniger vertrauenswürdig machen“, sagt die Geschäftsführerin Kristin Marosi. Neben codetekt bieten auch Faktencheck-Initiativen wie Correctiv, Mimikama oder die Faktencheck-Redaktionen von dpa und AFP Unterstützung beim Thema Quellencheck.
Fazit
Ohne Vertrauen können wir nicht miteinander in den Austausch gehen, denn wir haben wohl fast nie das vollständige Wissen über eine Sache. Wenn wir Nachrichten konsumieren, ist aber die Frage nach vertrauensvollen Informationsquellen teilweise schwer zu beantworten. Manchmal erreichen uns weitergeleitete Bilder, deren Ursprung nicht bekannt ist oder die abgeändert wurden, ohne dass wir es wissen. Hinzu kommen persönliche Einstellungen wie Gruppenzugehörigkeit oder politische Überzeugungen, durch die nicht jede*r von uns eine Information auf dieselbe Weise wahrnimmt.
Gerade die Corona-Pandemie führte vor Augen, dass es relevanter denn je geworden ist, Informationsquellen einzuordnen. Neben Gesundheitsinformationen wurden auch Falschinformationen und Gerüchte verbreitet – und das nicht immer in böser Absicht. Wenn beispielsweise Informationen missverstanden werden, kommen Fehlinformationen unabsichtlich in den Umlauf, vielleicht auch gerade weil wir der „Quelle“ Freund*in oder Arbeitskolleg*in einen Vertrauensvorschuss geben.
Grundsätzlich ist daher jede*r in der Verantwortung, Informationsquellen zu beurteilen. Unerlässlich ist das vor allem dann, wenn beabsichtigt wird, einen Text oder ein Video weiterzuleiten. Welche Interessen beziehungsweise Beweggründe bringt die Quelle mit? Werden die Informationen besonders emotional dargestellt? Wie viel Fachwissen bringt die Quelle tatsächlich mit? Letztlich ist jede*r Teil eines größeren Informationskreislaufs.
Bildquellen: Rahel Flechtner, Peter Leßmann, Katharina Gless | Bearbeitung: MvonS
Über die Autorin
Victoria Graul ist freie Journalistin und engagiert sich auf vielen Ebenen mit eigenen Workshops und Vorträgen zu den Themen Faktencheck, Desinformation und Medienkompetenz. Sie betreibt den Podcast Digga Fake – Fake News & Fact-Checking. Davor arbeitete sie als Online-Redakteurin, unter anderem für die Freie Presse und das RND RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Latest (Top 5)
Schon gewusst?
Gerade ältere Menschen sind empfänglicher für Fehl- und Falschinformationen in den sozialen Medien, weil es für diese Altersgruppe kaum Aufklärungsangebote zum Thema gibt. Diese Einschätzung ist das Ergebnis einer Expertenbefragung im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland. Mehr 60 Expert*innen aus dem Bereich Wissenschaft, Journalismus und Zivilgesellschaft nahmen 2021 daran teil.