Aufklärungsarbeit auf Social Media
Schnelle Infos mit Bildungsanspruch waren auf Social-Media-Plattformen lange die Ausnahme. Heute gibt es unzählige Angebote von Gruppen, Initiativen, Einzelkämpfer*innen und Influencer*innen, die unser Bewusstsein für Medienkompetenz schärfen. Sie sind kritisch, ordnen ein, setzen Themen neu auf die Agenda und in einen größeren Zusammenhang, getrieben von Idealismus, Haltung und dem Willen, uns mitzureißen. Wir stellen zehn reichweitenstarke Projekte und Vorreiter*innen vor.
Social Media ist ein wesentliches Instrument der Aufklärung und des Wissensaustauschs. Bestes Beispiel ist YouTube: Die Video-Plattform gehört schon lange zu den beliebtesten Suchmaschinen der Welt, um Antworten auf zahlreiche Fragen zu finden. Auch das Videoportal TikTok hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend von einer Unterhaltungsplattform hin zu einer Suchmaschine gemausert. Diese Entwicklung bestätigen auch die Ergebnisse des Reuters Institute Digital News Report 2023. Demnach informieren sich junge Leute eher über Social-Media-Plattformen als über klassische Medien wie TV, Zeitung und Radio. Das ist effektiv, weil die Plattformen allerlei Content von süßen Katzenvideos über Reisetipps und aktuelle Nachrichten bündeln.
Dass sich mehr und mehr Aufklärungskanäle, Sinnfluencer*innen und Co auf Social Media tummeln, ist wohl auf einen Lernprozess durch X, vormals Twitter, zurückzuführen. Meinungsmacher*innen und Themen, die in klassischen Medien unterbewertet oder übergangen wurden, erhielten durch die Logik des Kurznachrichtendiensts plötzlich Aufmerksamkeit wie nie zuvor. Leonhard Dobusch, netzpolitischer Blogger und Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Innsbruck, nennt das den sogenannten Multiplikatoreffekt. „Dadurch, dass so viele Menschen aus Wissenschaft, Politik und Journalismus anfingen zu twittern, gab es einen enormen Einfluss darauf, was ein Experte ist und wie man über Social Media Expertenstatus erreicht“, sagt Dobusch. Gerade kleinere Gruppen und Einzelpersonen sei das zugutegekommen. Sie hätten gelernt, dass kontinuierliche Kommunikation zu allerlei weltanschaulichen Positionen und Richtungen die eigene Sichtbarkeit erhöht und Reichweite schafft, so Dobusch.
Debatten und Meinungsaustausch funktionieren auf Social Media auch viel direkter, emotionaler und dialogorientierter als in klassischen Medien und im Offline-Aktivismus. Nutzer*innen können sich rund um die Uhr mit Kommentaren, Empfehlungen, eigenen und weitergeleiteten Beiträgen einbringen. Das hat den Vorteil, langfristige Nähe zu schaffen und Probleme gemeinsam aufzugreifen. „Potenziell können Nutzerinnen und Nutzer extrem bereichernd sein als kritische Fragende und Beitragende über den bloßen Konsum hinaus. Sie können auf Fehler und auf andere Beispiele sowie Sichtweisen aufmerksam machen“, sagt Dobusch. Gleichzeitig bedarf es eines völlig neuen Umgangs mit der Community. Nutzer*innen können nämlich, das macht der Experte auch deutlich, anti-aufklärerisch wirken, wenn sie Hassrede verbreiten, verleumden, beleidigen und einschüchtern. „Das vertreibt marginalisierte Stimmen und tut eine Schere im Kopf auf, wenn man sich einbringen will.“
Faktenchecks oder Aufklärungsvideos, Kampfansagen gegen Verschwörungsgläubige oder Hetze in Kommentarspalten, amüsant oder eher sachlich: Über mangelnde Vielfalt an Aufklärungsangeboten auf Social Media dürfte sich niemand beklagen. Wir blicken auf die Vorreiter*innen sowie die reichweitenstärksten Initiativen und Influencer*innen. Einige von ihnen sind als Einzelkämpfer*innen gestartet, aus vielen Projekten ist über Jahre hinweg eine Bewegung mit ehrenamtlichen und festangestellten Mitarbeiter*innen erwachsen. Was viele auch eint: Sie geben Workshops und halten Vorträge im Bereich Medienkompetenz. Genau genommen gibt es noch viel mehr unterstützenswerte Projekte als hier abgebildet, etwa die Arbeiten von codetect, Klickwinkel, HateAid, Facts for Friends oder Mediale Pfade und nicht zu vergessen die eher unbekannten Mitarbeiter*innen der Wikipedia. Sie tragen alle zur demokratischen Willensbildung bei und sind essentiell für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.
1. Oliver Rautenberg alias AnthroBlogger
Wer sich kritisch mit Esoterik, Anthroposophie und Waldorf-Pädagogik auseinandersetzen will, ist bei dem Blogger Oliver Rautenberg – besser bekannt als AnthroBlogger – genau richtig. 2013 startete der freie Journalist den anthroposophie.blog zunächst noch anonym und weil ihm das Thema aus eigener Erfahrung am Herzen lag. Seit 2019 leistet Rautenberg unter Klarnamen Aufklärungsarbeit auf X (ehemals Twitter) und inzwischen auch auf Facebook, Instagram und Mastodon. Der Schritt hin zu Social Media hat seine Reichweite nach eigenen Angaben vervielfacht. Das Projekt AnthroBlogger ist ehrenamtlich und hat mehr als 40.000 Follower*innen, 32.000 davon allein auf X. Seine Beiträge sind eine Mischung aus Nachrichten, Meinung, Veranstaltungshinweisen und Retweets von anderen Kritiker*innen sowie Aktivist*innen. Im Kern steht stets die Auseinandersetzung mit der Frage, wie esoterische Weltanschauungen und Pseudo-Wissenschaften entlarvt werden können.
Mit dem Erfolg kommen aber auch Probleme. „Seitdem mein Name auf Social Media bekannt wurde, hat es gegen mich zahllose Unterlassungsaufforderungen, Mahnungen und auch gerichtliche Klagen gegeben, zum Beispiel durch den Bund der Freien Waldorfschulen oder die Anthroposophische Gesellschaft. Ich habe mich jedoch nicht einschüchtern lassen und keine Inhalte zurückgenommen. Bis heute hat nie jemand vor Gericht gegen mich gewonnen“, sagt Rautenberg. Was ihn anspornt, weiterzumachen? „Aufklärung wirkt meist nur bei denen, die nicht bereits zu tief im Rabbit Hole der Verschwörungsmythen feststecken.“
2. Daniel Bröckerhoff verbindet Politik und Unterhaltung auf doktordab
Mit einem übermotivierten „Good morning Deutschland“, gefiltert in schwarz-weißer Fernsehoptik begrüßt der Fernsehjournalist Daniel Bröckerhoff die Zuschauer*innen auf seinem Instagram-Kanal doktordab. Seine Reels, Posts und Stories spielen mit Gegensätzen wie Ironie und Ernsthaftigkeit, Information und Meinung. Im Zentrum stehen politische Themen, die nicht immer den Weg in das Hauptprogramm von Nachrichtensendungen finden. „Erstaunlich viele Menschen wissen nur wenig über parlamentarische Vorgänge oder wie Gesetze zustande kommen“, sagt Bröckerhoff über die Themenauswahl.
Was er da macht, nennt er Politainment: „Ich versuche, meine Zuschauer*innen auch immer irgendwie unterhaltsam mitzunehmen, damit es nicht ganz so dröge ist.“ Bröckerhoffs Beiträge sind meinungsstark, gleichzeitig ermutigen sie, differenziert auf Klimawandel-Debatten, Corona-Pandemie und Co zu blicken. Wichtig sei ihm, auf Augenhöhe mit Menschen zu bleiben, auch mit denen, die nicht seiner Meinung sind, so Bröckerhoff. Den Instagram-Kanal doktordab gibt es seit 2019, mittlerweile hat er mehr als 111.000 Follower*innen. Die meiste Arbeit macht Bröckerhoff eigenen Angaben zufolge pro bono. Ab und an teilt er auch Beiträge vom NDR, für den er freiberuflich arbeitet.
3. Correctiv.Faktencheck bekämpft Desinformation
Unter den vorgestellten Initiativen arbeitet Correctiv.Faktencheck als einzige direkt mit einem Social-Media-Konzern zusammen. Seit 2017 besteht eine Kooperation mit Meta. Für Nutzer*innen von Facebook und Instagram bedeutet das: Wenn sie Desinformation oder irreführende Inhalte veröffentlichen, zu denen Correctiv bereits einen Faktencheck veröffentlicht hat, kann es sein, dass die Beiträge mit einem Warnhinweis versehen werden. Welche Inhalte geprüft werden und einen Warnhinweis erhalten, entscheidet die Redaktion. Dabei orientiert sie sich an bestimmten Kriterien wie Relevanz der Thematik und potenziellem Schaden für Betroffene. Auch Leser*innen können dem Team Hinweise auf mögliche Falschinformationen zukommen lassen, zum Beispiel über einen Whatsapp-Chatbot.
Correctiv.Faktencheck ist eine eigenständige Redaktion innerhalb des gemeinnützigen und vielfach ausgezeichneten Recherchezentrums Correctiv. Das Team recherchiert gezielt gegen Desinformation im Internet und verschreibt sich eigenen Angaben zufolge Objektivität und Transparenz. „Gerade auf Social Media kann sich Desinformation schnell verbreiten, umso wichtiger ist es, dass wir mit unseren Faktenchecks auch dort aufklären, wo die Falschbehauptungen kursieren, um möglichst viele Menschen zu erreichen,“ sagt Uschi Jonas, Team-Leiterin von Correctiv.Faktencheck. Die Recherche-Ergebnisse werden über verschiedene Social-Media-Kanäle verbreitet. Die größte Community hat Correctiv.Faktencheck auf Instagram mit rund 50.000 Follower*innen.
4. Der goldene Aluhut entlarvt Verschwörungserzählungen
Die 2014 gegründete Aufklärungsinitiative aus Berlin ist bekannt für den witzigen Umgang mit Verschwörungsgläubigen. Im Mittelpunkt steht das Teilen teils geschwärzter Screenshots von kleinen dubiosen Kanälen oder aus öffentlichen sowie privaten Social-Media-Gruppen. „Wir wollen zusammen lachen über Chemtrails oder Reichsbürger, bevor unsere Nutzer dann vielleicht analog erste Berührungspunkte mit derartigen Verschwörungstheorien haben,“ sagt Gründerin Giulia Silberberger. Humor sei ein Stilmittel, das für sie klar gelte, solange es nicht ehrverletzend werde.
Insbesondere auf Facebook hat Der goldene Aluhut mittlerweile eine Community von 175.000 Accounts aufgebaut. Das liegt auch daran, dass Silberberger mit ihrer Mission 2014 in diesem Netzwerk gestartet ist. „Wir haben eine starke Community, die sich oftmals auch selbst reguliert auch schon vom ersten Tag an. In den Kommentarspalten haben wir auch coole Leute, die Gegenrede betreiben und Themen oftmals weiterspinnen und auf wissenschaftliche Studien oder Artikel verweisen.“ Seit 2016 ist die Initiative gemeinnützig. Abseits von Social Media zählt Der goldene Aluhut zu den bekanntesten Preisverleiher*innen für absurde Verschwörungstheorien. 2022 wurde ein neuer Preis eingeführt, der sogenannte Facts Heroes Award.
5. Der Volksverpetzer bekämpft die Verbreitung von Fake News
Emotional, satirisch und meinungsgetrieben – mit diesen Schlagworten lässt sich der erfolgreiche Anti-Fake-News-Blog Volksverpetzer beschreiben. Die Macher*innen verzichten dabei explizit auf einen sachlichen Schreibstil und beeinflussen inzwischen gesellschaftliche Debatten wie die Schmutzkampagne hinter dem Hashtag #BaerbockRücktritt. Social-Media-Plattformen spielen bei ihrer Mission eine strategische Rolle. „Ohne Social Media wäre unsere Arbeit nicht möglich, denn dort finden die Diskurse statt. Wir schauen auf Trends, Narrative und darauf, wer die Verbreiter von Fake News sind. Im besten Fall verhindern wir dann negative Kampagnen“, sagt Mitbegründer Thomas Laschyk.
Auf Instagram hat das Volksverpetzer-Team eine besonders starke Community – mit rund 420.000 Follower*innen. Austausch und Feedback seien besonders wichtig, weil es auch darum gehe, bei den Faktenchecks und Meinungsstücken den richtigen Ton zu treffen, so Laschyk. Um die Community noch enger an sich zu binden, arbeitet das Team derzeit an der Mitmach-App „Faktenbot“ zur Überprüfung von Desinformation. Als regionaler Blog für die Augsburger Politik fing 2014 alles an. Seit 2019 ist Der Volksverpetzer gemeinnützig. Durch das Engagement im Bereich Demokratie und Wahrheitsfindung gewann der Blog bereits einige Auszeichnungen, darunter den Titel „Blogger des Jahres“ 2019.
6. Facebook-Gruppe #ichbinhier stärkt Gegenrede und Zivilcourage
Mehr als 40.000 Mitglieder zählt die Facebook-Gruppe #ichbinhier, die seit 2016 gegen Hass und Hetze in den Kommentarspalten mitdiskutiert. Es wird darauf Wert gelegt, sich gegenseitig mit sachlichen, konstruktiven und menschenfreundlichen Kommentaren zu stützen. Mit dieser Art der Gegenrede und Zivilcourage griff die Gruppe bereits in Hetzkampagnen gegen Grünen-Politikerin Renate Künast und ZDF-Fernsehmoderatorin Dunja Hayali auf reichweitenstarken Nachrichtenseiten ein. #ichbinhier gehört zu einem Verein mit gleichem Namen und wird von einem bis zu 30-köpfigen, ehrenamtlichen Moderationsteam betreut. „Mit unserem Engagement haben wir die Diskussionskultur in Kommentarspalten verändert und auch einige Medienhäuser dazu bewegt, Community Manager auf Facebook einzustellen“, sagt die Vereinsvorsitzende Juliane Chakrabarti.
Die Counterspeech-Gruppe ist vielfache Preisträgerin verschiedener Medien- und Gesellschaftspreise, darunter der Grimme Online Award 2017. Momentan ist die Gruppe dabei, sich neu auszurichten. „Bei unseren Ehrenamtlichen gibt es aufgrund von Corona-Pandemie, Krieg und Co eine große Übermüdung. Volksbildung auf den Plattformen sehen wir immer noch als eine wichtige Aufgabe für uns, das kann aber nicht nur umsonst und aus uns selbst heraus passieren“, so Chakrabarti.
7. Mit keinfakenews macht Etrit Asllani ein Motto zur Mission
Mit kurzen Faktencheck-Videos im 16:9-Format hat sich Etrit Asllani als Vorreiter für Aufklärungsarbeit auf TikTok etabliert. Auf seinem Kanal @keinfakenews tritt der studierte Psychologe selbst als Presenter vor die Kamera: Er recherchiert auf eigene Faust und arbeitet mit Versatzstücken aus anderen TikTok-Videos. Das wirkt authentisch, schafft Vertrauen und ist vor allem unterhaltsam. Innerhalb kürzester Zeit hat sich Asllani zum Influencer entwickelt. Aktuelle Follower-Zahl: 670.200.
„Ich will sicherstellen, dass Nutzer*innen die Fähigkeit und das Wissen haben, Wahrheit von Fiktion zu unterscheiden. Das ist mein Beitrag dafür, damit unsere Gesellschaft wächst“, sagt Asllani über seine Mission. Der Kanal entstand Ende 2020 und fand eine Nische. Damals war der Creator bereits mit einem Psychologie-Kanal vertreten, der Teil einer TikTok-Kampagne war. „Mir ist aufgefallen, dass einige andere Kanäle Küchenpsychologie, veraltete Theorien und Argumente nutzten, die an den Haaren herbeigezogen waren.“ Sein Wissen hat Asllani mittlerweile in ein Buch gepackt, das er auch regelmäßig auf seinem Kanal bewirbt.
8. Mai Thi Nguyen-Kim erklärt auf maiLab Wissenschaft
Die promovierte Chemikerin und vielfach ausgezeichnete Journalistin Mai Thi Nguyen-Kim hat der Wissenschaftsvermittlung in den vergangenen Jahren einen Schub gegeben wie keine andere. Gerade während der Corona-Pandemie sorgte sie mit unterhaltsamen Erklärvideos auf YouTube für Orientierung und Einordnung. Herzstück war der zwischen 2016 und 2023 von Funk produzierte Kanal maiLab. Dort brachen Nguyen-Kim und ihr Team komplexe Themen herunter, verständlich und amüsant mit popkulturellen Bezüge. Das kam gut an. Mit mehr als sechs Millionen Klicks war beispielsweise der Beitrag „Corona geht gerade erst los“ 2020 das erfolgreichstes Youtube-Video in Deutschland.
Sich auf die Community einzulassen, das gehörte auch zum Erfolgsrezept von maiLab. So redete die Science-Influencerin ihre Zuschauer*innen konsequent mit „Freunde der Sonne“ an. Zudem setzte sie sich dafür ein, eine Streitkultur in den Kommentarspalten eher zu befördern als diese zu unterbunden. Obwohl maiLab in diesem Jahr eingestellt wurde, sind alle bisherigen Videos weiterhin online verfügbar. Noch immer hat der Kanal rund 1,4 Millionen Abonnent*innen.
9. Mimikama setzt sich mit Missbrauch und Betrug im Internet auseinander
Der österreichische Verein ist die wohl älteste Aufklärungsinitiative gegen Internetbetrug im deutschsprachigen Raum. Hintergrund der Gründung 2011 sei die eigene Erfahrung mit einer Betrugsmasche gewesen, berichtet der Initiator und Vorsitzende Tom Wannenmacher. Der Verein sehe sich in der Verantwortung, eine zuverlässige und nachprüfbare Anlaufstelle für Ratsuchende zu sein. Social Media sei das Herzstück der Kommunikation. „Jeder Kommentar ist wertvoll und es sind oft genau diese Stimmen, die uns auf Neues aufmerksam machen, die uns inspirieren oder uns einen anderen Blickwinkel aufzeigen,“ so Wannenmacher.
Faktenchecks und Ratgeber-Artikel zu vielfältigen Themen wie Verbraucherschutz, Corona-Krise und Klimawandel werden auf mittlerweile sechs Plattformen ausgespielt – zumeist in Form von Collagen mit großen Überschriften und farblichen Gegensätzen als Wiedererkennungswert. Mittlerweile kommt Mimikama nach Aussagen von Wannenmacher auf eine mehr als 1,2 Millionen starke Community über alle Social-Media-Plattformen hinweg. Der Verein errang auch unter anderem den Titel „Blogger des Jahres“ 2016 bei den Goldenen Bloggern.
10. Mirko Drotschmann ist MrWissen2go
Erklärvideos zu Allgemeinwissen haben den Journalisten Mirko Drotschmann zum YouTube-Star gemacht: Auf seinem Kanal MrWissen2go erreicht er mehr als zwei Millionen Abonnent*innen. Ursprünglich gründete Drotschmann den Kanal 2011 auf eigene Faust, um Schüler*innen mit Wissen aus seinem Geschichtsstudium bei ihrem Abschluss zu helfen. Mittlerweile ist MrWissen2go Teil des öffentlich-rechtlichen Jugendangebots Funk und setzt Schwerpunkte auf politische Themen wie aktuelle Wahlen und Umsturzbewegungen. „Sich zu informieren, unabhängig eine Meinung zu bilden und am demokratischen Diskurs teilzunehmen, ist für mich enorm wichtig. Deshalb möchte ich mit den Videos dazu einen kleinen Anstoß geben“, sagt Drotschmann.
Der Influencer bezieht die Zuschauer*innen nach eigenen Aussagen bereits frühzeitig in die Themenauswahl ein, um eine passgenaue Überschneidung mit deren Interessen zu erreichen. „Die Auswahl der Videothemen erfolgt nach journalistischen Kriterien. Dabei ist es mir gleichzeitig aber auch wichtig, die Interessen des Publikums mitzudenken“, so Drotschmann. Dass er den Geschmack des Publikums trifft, zeigt unter anderem die Ehrung mit dem Publikumspreis des Umweltmedienpreises der Deutschen Umwelthilfe 2021.
Weiterführende Links
- Beitrag von Leonhard Dobusch „Objektivität in Anführungszeichen Über Wissenschaft und Aktivismus“ von Juni 2022, veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung
- Beitrag von Leonhard Dobusch „Experten Schwemme gegen die Informationsüberflutung? Expertentum und Expertise im digitalen Zeitalter“ von März 2016, veröffentlicht auf netzpolitik.org
- Video-Interview mit Ingrid Brodnig zum Thema „Das Internet hat demokratisches Potenzial. Politik im Netz“ von April 2020, veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung
Bildquelle: Ingo Pertramer | Bildbearbeitung: MvonS
Über die Autorin
Victoria Graul ist freie Journalistin und engagiert sich auf vielen Ebenen mit eigenen Workshops und Vorträgen zu den Themen Faktencheck, Desinformation und Medienkompetenz. Sie betreibt den Podcast „Digga Fake – Fake News & Fact-Checking“. Davor arbeitete sie als Online-Redakteurin, unter anderem für die Freie Presse und das RND RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Aufklärungsarbeit auf Social Media
Schnelle Infos mit Bildungsanspruch waren auf Social-Media-Plattformen lange die Ausnahme. Heute gibt es unzählige Angebote von Gruppen, Initiativen, Einzelkämpfer*innen und Influencer*innen, die unser Bewusstsein für Medienkompetenz schärfen. Sie sind kritisch, ordnen ein, setzen Themen neu auf die Agenda und in einen größeren Zusammenhang, getrieben von Idealismus, Haltung und dem Willen, uns mitzureißen. Wir stellen zehn reichweitenstarke Projekte und Vorreiter*innen vor.
Social Media ist ein wesentliches Instrument der Aufklärung und des Wissensaustauschs. Bestes Beispiel ist YouTube: Die Video-Plattform gehört schon lange zu den beliebtesten Suchmaschinen der Welt, um Antworten auf zahlreiche Fragen zu finden. Auch das Videoportal TikTok hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend von einer Unterhaltungsplattform hin zu einer Suchmaschine gemausert. Diese Entwicklung bestätigen auch die Ergebnisse des Reuters Institute Digital News Report 2023. Demnach informieren sich junge Leute eher über Social-Media-Plattformen als über klassische Medien wie TV, Zeitung und Radio. Das ist effektiv, weil die Plattformen allerlei Content von süßen Katzenvideos über Reisetipps und aktuelle Nachrichten bündeln.
Dass sich mehr und mehr Aufklärungskanäle, Sinnfluencer*innen und Co auf Social Media tummeln, ist wohl auf einen Lernprozess durch X, vormals Twitter, zurückzuführen. Meinungsmacher*innen und Themen, die in klassischen Medien unterbewertet oder übergangen wurden, erhielten durch die Logik des Kurznachrichtendiensts plötzlich Aufmerksamkeit wie nie zuvor. Leonhard Dobusch, netzpolitischer Blogger und Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Innsbruck, nennt das den sogenannten Multiplikatoreffekt. „Dadurch, dass so viele Menschen aus Wissenschaft, Politik und Journalismus anfingen zu twittern, gab es einen enormen Einfluss darauf, was ein Experte ist und wie man über Social Media Expertenstatus erreicht“, sagt Dobusch. Gerade kleinere Gruppen und Einzelpersonen sei das zugutegekommen. Sie hätten gelernt, dass kontinuierliche Kommunikation zu allerlei weltanschaulichen Positionen und Richtungen die eigene Sichtbarkeit erhöht und Reichweite schafft, so Dobusch.
Debatten und Meinungsaustausch funktionieren auf Social Media auch viel direkter, emotionaler und dialogorientierter als in klassischen Medien und im Offline-Aktivismus. Nutzer*innen können sich rund um die Uhr mit Kommentaren, Empfehlungen, eigenen und weitergeleiteten Beiträgen einbringen. Das hat den Vorteil, langfristige Nähe zu schaffen und Probleme gemeinsam aufzugreifen. „Potenziell können Nutzerinnen und Nutzer extrem bereichernd sein als kritische Fragende und Beitragende über den bloßen Konsum hinaus. Sie können auf Fehler und auf andere Beispiele sowie Sichtweisen aufmerksam machen“, sagt Dobusch. Gleichzeitig bedarf es eines völlig neuen Umgangs mit der Community. Nutzer*innen können nämlich, das macht der Experte auch deutlich, anti-aufklärerisch wirken, wenn sie Hassrede verbreiten, verleumden, beleidigen und einschüchtern. „Das vertreibt marginalisierte Stimmen und tut eine Schere im Kopf auf, wenn man sich einbringen will.“
Faktenchecks oder Aufklärungsvideos, Kampfansagen gegen Verschwörungsgläubige oder Hetze in Kommentarspalten, amüsant oder eher sachlich: Über mangelnde Vielfalt an Aufklärungsangeboten auf Social Media dürfte sich niemand beklagen. Wir blicken auf die Vorreiter*innen sowie die reichweitenstärksten Initiativen und Influencer*innen. Einige von ihnen sind als Einzelkämpfer*innen gestartet, aus vielen Projekten ist über Jahre hinweg eine Bewegung mit ehrenamtlichen und festangestellten Mitarbeiter*innen erwachsen. Was viele auch eint: Sie geben Workshops und halten Vorträge im Bereich Medienkompetenz. Genau genommen gibt es noch viel mehr unterstützenswerte Projekte als hier abgebildet, etwa die Arbeiten von codetect, Klickwinkel, HateAid, Facts for Friends oder Mediale Pfade und nicht zu vergessen die eher unbekannten Mitarbeiter*innen der Wikipedia. Sie tragen alle zur demokratischen Willensbildung bei und sind essentiell für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.
1. Oliver Rautenberg alias AnthroBlogger
Wer sich kritisch mit Esoterik, Anthroposophie und Waldorf-Pädagogik auseinandersetzen will, ist bei dem Blogger Oliver Rautenberg – besser bekannt als AnthroBlogger – genau richtig. 2013 startete der freie Journalist den anthroposophie.blog zunächst noch anonym und weil ihm das Thema aus eigener Erfahrung am Herzen lag. Seit 2019 leistet Rautenberg unter Klarnamen Aufklärungsarbeit auf X (ehemals Twitter) und inzwischen auch auf Facebook, Instagram und Mastodon. Der Schritt hin zu Social Media hat seine Reichweite nach eigenen Angaben vervielfacht. Das Projekt AnthroBlogger ist ehrenamtlich und hat mehr als 40.000 Follower*innen, 32.000 davon allein auf X. Seine Beiträge sind eine Mischung aus Nachrichten, Meinung, Veranstaltungshinweisen und Retweets von anderen Kritiker*innen sowie Aktivist*innen. Im Kern steht stets die Auseinandersetzung mit der Frage, wie esoterische Weltanschauungen und Pseudo-Wissenschaften entlarvt werden können.
Mit dem Erfolg kommen aber auch Probleme. „Seitdem mein Name auf Social Media bekannt wurde, hat es gegen mich zahllose Unterlassungsaufforderungen, Mahnungen und auch gerichtliche Klagen gegeben, zum Beispiel durch den Bund der Freien Waldorfschulen oder die Anthroposophische Gesellschaft. Ich habe mich jedoch nicht einschüchtern lassen und keine Inhalte zurückgenommen. Bis heute hat nie jemand vor Gericht gegen mich gewonnen“, sagt Rautenberg. Was ihn anspornt, weiterzumachen? „Aufklärung wirkt meist nur bei denen, die nicht bereits zu tief im Rabbit Hole der Verschwörungsmythen feststecken.“
2. Daniel Bröckerhoff verbindet Politik und Unterhaltung auf doktordab
Mit einem übermotivierten „Good morning Deutschland“, gefiltert in schwarz-weißer Fernsehoptik begrüßt der Fernsehjournalist Daniel Bröckerhoff die Zuschauer*innen auf seinem Instagram-Kanal doktordab. Seine Reels, Posts und Stories spielen mit Gegensätzen wie Ironie und Ernsthaftigkeit, Information und Meinung. Im Zentrum stehen politische Themen, die nicht immer den Weg in das Hauptprogramm von Nachrichtensendungen finden. „Erstaunlich viele Menschen wissen nur wenig über parlamentarische Vorgänge oder wie Gesetze zustande kommen“, sagt Bröckerhoff über die Themenauswahl.
Was er da macht, nennt er Politainment: „Ich versuche, meine Zuschauer*innen auch immer irgendwie unterhaltsam mitzunehmen, damit es nicht ganz so dröge ist.“ Bröckerhoffs Beiträge sind meinungsstark, gleichzeitig ermutigen sie, differenziert auf Klimawandel-Debatten, Corona-Pandemie und Co zu blicken. Wichtig sei ihm, auf Augenhöhe mit Menschen zu bleiben, auch mit denen, die nicht seiner Meinung sind, so Bröckerhoff. Den Instagram-Kanal doktordab gibt es seit 2019, mittlerweile hat er mehr als 111.000 Follower*innen. Die meiste Arbeit macht Bröckerhoff eigenen Angaben zufolge pro bono. Ab und an teilt er auch Beiträge vom NDR, für den er freiberuflich arbeitet.
3. Correctiv.Faktencheck bekämpft Desinformation
Unter den vorgestellten Initiativen arbeitet Correctiv.Faktencheck als einzige direkt mit einem Social-Media-Konzern zusammen. Seit 2017 besteht eine Kooperation mit Meta. Für Nutzer*innen von Facebook und Instagram bedeutet das: Wenn sie Desinformation oder irreführende Inhalte veröffentlichen, zu denen Correctiv bereits einen Faktencheck veröffentlicht hat, kann es sein, dass die Beiträge mit einem Warnhinweis versehen werden. Welche Inhalte geprüft werden und einen Warnhinweis erhalten, entscheidet die Redaktion. Dabei orientiert sie sich an bestimmten Kriterien wie Relevanz der Thematik und potenziellem Schaden für Betroffene. Auch Leser*innen können dem Team Hinweise auf mögliche Falschinformationen zukommen lassen, zum Beispiel über einen Whatsapp-Chatbot.
Correctiv.Faktencheck ist eine eigenständige Redaktion innerhalb des gemeinnützigen und vielfach ausgezeichneten Recherchezentrums Correctiv. Das Team recherchiert gezielt gegen Desinformation im Internet und verschreibt sich eigenen Angaben zufolge Objektivität und Transparenz. „Gerade auf Social Media kann sich Desinformation schnell verbreiten, umso wichtiger ist es, dass wir mit unseren Faktenchecks auch dort aufklären, wo die Falschbehauptungen kursieren, um möglichst viele Menschen zu erreichen,“ sagt Uschi Jonas, Team-Leiterin von Correctiv.Faktencheck. Die Recherche-Ergebnisse werden über verschiedene Social-Media-Kanäle verbreitet. Die größte Community hat Correctiv.Faktencheck auf Instagram mit rund 50.000 Follower*innen.
4. Der goldene Aluhut entlarvt Verschwörungserzählungen
Die 2014 gegründete Aufklärungsinitiative aus Berlin ist bekannt für den witzigen Umgang mit Verschwörungsgläubigen. Im Mittelpunkt steht das Teilen teils geschwärzter Screenshots von kleinen dubiosen Kanälen oder aus öffentlichen sowie privaten Social-Media-Gruppen. „Wir wollen zusammen lachen über Chemtrails oder Reichsbürger, bevor unsere Nutzer dann vielleicht analog erste Berührungspunkte mit derartigen Verschwörungstheorien haben,“ sagt Gründerin Giulia Silberberger. Humor sei ein Stilmittel, das für sie klar gelte, solange es nicht ehrverletzend werde.
Insbesondere auf Facebook hat Der goldene Aluhut mittlerweile eine Community von 175.000 Accounts aufgebaut. Das liegt auch daran, dass Silberberger mit ihrer Mission 2014 in diesem Netzwerk gestartet ist. „Wir haben eine starke Community, die sich oftmals auch selbst reguliert auch schon vom ersten Tag an. In den Kommentarspalten haben wir auch coole Leute, die Gegenrede betreiben und Themen oftmals weiterspinnen und auf wissenschaftliche Studien oder Artikel verweisen.“ Seit 2016 ist die Initiative gemeinnützig. Abseits von Social Media zählt Der goldene Aluhut zu den bekanntesten Preisverleiher*innen für absurde Verschwörungstheorien. 2022 wurde ein neuer Preis eingeführt, der sogenannte Facts Heroes Award.
5. Der Volksverpetzer bekämpft die Verbreitung von Fake News
Emotional, satirisch und meinungsgetrieben – mit diesen Schlagworten lässt sich der erfolgreiche Anti-Fake-News-Blog Volksverpetzer beschreiben. Die Macher*innen verzichten dabei explizit auf einen sachlichen Schreibstil und beeinflussen inzwischen gesellschaftliche Debatten wie die Schmutzkampagne hinter dem Hashtag #BaerbockRücktritt. Social-Media-Plattformen spielen bei ihrer Mission eine strategische Rolle. „Ohne Social Media wäre unsere Arbeit nicht möglich, denn dort finden die Diskurse statt. Wir schauen auf Trends, Narrative und darauf, wer die Verbreiter von Fake News sind. Im besten Fall verhindern wir dann negative Kampagnen“, sagt Mitbegründer Thomas Laschyk.
Auf Instagram hat das Volksverpetzer-Team eine besonders starke Community – mit rund 420.000 Follower*innen. Austausch und Feedback seien besonders wichtig, weil es auch darum gehe, bei den Faktenchecks und Meinungsstücken den richtigen Ton zu treffen, so Laschyk. Um die Community noch enger an sich zu binden, arbeitet das Team derzeit an der Mitmach-App „Faktenbot“ zur Überprüfung von Desinformation. Als regionaler Blog für die Augsburger Politik fing 2014 alles an. Seit 2019 ist Der Volksverpetzer gemeinnützig. Durch das Engagement im Bereich Demokratie und Wahrheitsfindung gewann der Blog bereits einige Auszeichnungen, darunter den Titel „Blogger des Jahres“ 2019.
6. Facebook-Gruppe #ichbinhier stärkt Gegenrede und Zivilcourage
Mehr als 40.000 Mitglieder zählt die Facebook-Gruppe #ichbinhier, die seit 2016 gegen Hass und Hetze in den Kommentarspalten mitdiskutiert. Es wird darauf Wert gelegt, sich gegenseitig mit sachlichen, konstruktiven und menschenfreundlichen Kommentaren zu stützen. Mit dieser Art der Gegenrede und Zivilcourage griff die Gruppe bereits in Hetzkampagnen gegen Grünen-Politikerin Renate Künast und ZDF-Fernsehmoderatorin Dunja Hayali auf reichweitenstarken Nachrichtenseiten ein. #ichbinhier gehört zu einem Verein mit gleichem Namen und wird von einem bis zu 30-köpfigen, ehrenamtlichen Moderationsteam betreut. „Mit unserem Engagement haben wir die Diskussionskultur in Kommentarspalten verändert und auch einige Medienhäuser dazu bewegt, Community Manager auf Facebook einzustellen“, sagt die Vereinsvorsitzende Juliane Chakrabarti.
Die Counterspeech-Gruppe ist vielfache Preisträgerin verschiedener Medien- und Gesellschaftspreise, darunter der Grimme Online Award 2017. Momentan ist die Gruppe dabei, sich neu auszurichten. „Bei unseren Ehrenamtlichen gibt es aufgrund von Corona-Pandemie, Krieg und Co eine große Übermüdung. Volksbildung auf den Plattformen sehen wir immer noch als eine wichtige Aufgabe für uns, das kann aber nicht nur umsonst und aus uns selbst heraus passieren“, so Chakrabarti.
7. Mit keinfakenews macht Etrit Asllani ein Motto zur Mission
Mit kurzen Faktencheck-Videos im 16:9-Format hat sich Etrit Asllani als Vorreiter für Aufklärungsarbeit auf TikTok etabliert. Auf seinem Kanal @keinfakenews tritt der studierte Psychologe selbst als Presenter vor die Kamera: Er recherchiert auf eigene Faust und arbeitet mit Versatzstücken aus anderen TikTok-Videos. Das wirkt authentisch, schafft Vertrauen und ist vor allem unterhaltsam. Innerhalb kürzester Zeit hat sich Asllani zum Influencer entwickelt. Aktuelle Follower-Zahl: 670.200.
„Ich will sicherstellen, dass Nutzer*innen die Fähigkeit und das Wissen haben, Wahrheit von Fiktion zu unterscheiden. Das ist mein Beitrag dafür, damit unsere Gesellschaft wächst“, sagt Asllani über seine Mission. Der Kanal entstand Ende 2020 und fand eine Nische. Damals war der Creator bereits mit einem Psychologie-Kanal vertreten, der Teil einer TikTok-Kampagne war. „Mir ist aufgefallen, dass einige andere Kanäle Küchenpsychologie, veraltete Theorien und Argumente nutzten, die an den Haaren herbeigezogen waren.“ Sein Wissen hat Asllani mittlerweile in ein Buch gepackt, das er auch regelmäßig auf seinem Kanal bewirbt.
8. Mai Thi Nguyen-Kim erklärt auf maiLab Wissenschaft
Die promovierte Chemikerin und vielfach ausgezeichnete Journalistin Mai Thi Nguyen-Kim hat der Wissenschaftsvermittlung in den vergangenen Jahren einen Schub gegeben wie keine andere. Gerade während der Corona-Pandemie sorgte sie mit unterhaltsamen Erklärvideos auf YouTube für Orientierung und Einordnung. Herzstück war der zwischen 2016 und 2023 von Funk produzierte Kanal maiLab. Dort brachen Nguyen-Kim und ihr Team komplexe Themen herunter, verständlich und amüsant mit popkulturellen Bezüge. Das kam gut an. Mit mehr als sechs Millionen Klicks war beispielsweise der Beitrag „Corona geht gerade erst los“ 2020 das erfolgreichstes Youtube-Video in Deutschland.
Sich auf die Community einzulassen, das gehörte auch zum Erfolgsrezept von maiLab. So redete die Science-Influencerin ihre Zuschauer*innen konsequent mit „Freunde der Sonne“ an. Zudem setzte sie sich dafür ein, eine Streitkultur in den Kommentarspalten eher zu befördern als diese zu unterbunden. Obwohl maiLab in diesem Jahr eingestellt wurde, sind alle bisherigen Videos weiterhin online verfügbar. Noch immer hat der Kanal rund 1,4 Millionen Abonnent*innen.
9. Mimikama setzt sich mit Missbrauch und Betrug im Internet auseinander
Der österreichische Verein ist die wohl älteste Aufklärungsinitiative gegen Internetbetrug im deutschsprachigen Raum. Hintergrund der Gründung 2011 sei die eigene Erfahrung mit einer Betrugsmasche gewesen, berichtet der Initiator und Vorsitzende Tom Wannenmacher. Der Verein sehe sich in der Verantwortung, eine zuverlässige und nachprüfbare Anlaufstelle für Ratsuchende zu sein. Social Media sei das Herzstück der Kommunikation. „Jeder Kommentar ist wertvoll und es sind oft genau diese Stimmen, die uns auf Neues aufmerksam machen, die uns inspirieren oder uns einen anderen Blickwinkel aufzeigen,“ so Wannenmacher.
Faktenchecks und Ratgeber-Artikel zu vielfältigen Themen wie Verbraucherschutz, Corona-Krise und Klimawandel werden auf mittlerweile sechs Plattformen ausgespielt – zumeist in Form von Collagen mit großen Überschriften und farblichen Gegensätzen als Wiedererkennungswert. Mittlerweile kommt Mimikama nach Aussagen von Wannenmacher auf eine mehr als 1,2 Millionen starke Community über alle Social-Media-Plattformen hinweg. Der Verein errang auch unter anderem den Titel „Blogger des Jahres“ 2016 bei den Goldenen Bloggern.
10. Mirko Drotschmann ist MrWissen2go
Erklärvideos zu Allgemeinwissen haben den Journalisten Mirko Drotschmann zum YouTube-Star gemacht: Auf seinem Kanal MrWissen2go erreicht er mehr als zwei Millionen Abonnent*innen. Ursprünglich gründete Drotschmann den Kanal 2011 auf eigene Faust, um Schüler*innen mit Wissen aus seinem Geschichtsstudium bei ihrem Abschluss zu helfen. Mittlerweile ist MrWissen2go Teil des öffentlich-rechtlichen Jugendangebots Funk und setzt Schwerpunkte auf politische Themen wie aktuelle Wahlen und Umsturzbewegungen. „Sich zu informieren, unabhängig eine Meinung zu bilden und am demokratischen Diskurs teilzunehmen, ist für mich enorm wichtig. Deshalb möchte ich mit den Videos dazu einen kleinen Anstoß geben“, sagt Drotschmann.
Der Influencer bezieht die Zuschauer*innen nach eigenen Aussagen bereits frühzeitig in die Themenauswahl ein, um eine passgenaue Überschneidung mit deren Interessen zu erreichen. „Die Auswahl der Videothemen erfolgt nach journalistischen Kriterien. Dabei ist es mir gleichzeitig aber auch wichtig, die Interessen des Publikums mitzudenken“, so Drotschmann. Dass er den Geschmack des Publikums trifft, zeigt unter anderem die Ehrung mit dem Publikumspreis des Umweltmedienpreises der Deutschen Umwelthilfe 2021.
Weiterführende Links
- Beitrag von Leonhard Dobusch „Objektivität in Anführungszeichen Über Wissenschaft und Aktivismus“ von Juni 2022, veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung
- Beitrag von Leonhard Dobusch „Experten Schwemme gegen die Informationsüberflutung? Expertentum und Expertise im digitalen Zeitalter“ von März 2016, veröffentlicht auf netzpolitik.org
- Video-Interview mit Ingrid Brodnig zum Thema „Das Internet hat demokratisches Potenzial. Politik im Netz“ von April 2020, veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung
Bildquelle: Ingo Pertramer | Bildbearbeitung: MvonS
Über die Autorin
Victoria Graul ist freie Journalistin und engagiert sich auf vielen Ebenen mit eigenen Workshops und Vorträgen zu den Themen Faktencheck, Desinformation und Medienkompetenz. Sie betreibt den Podcast „Digga Fake – Fake News & Fact-Checking“. Davor arbeitete sie als Online-Redakteurin, unter anderem für die Freie Presse und das RND RedaktionsNetzwerk Deutschland.